Chimäre eines „Zielkonflikts“

Lesenmswert!!!
Kampf um das Stadtgrün – Chimäre eines „Zielkonflikts“

 


Gastbeitrag
von Freya Beheschti
(Berliner Bündnis Nachhaltige
Stadtentwicklung BBNS)


An verschiedenen Stellen in der Stadt eskaliert derzeit die lange geführte Auseinandersetzung um den Erhalt bzw. die Bebauung von Grünflächen in städtischen Wohnanlagen. Dabei zeigt sich Senator Andreas Geisel nicht nur unbeeindruckt von den massiven Protesten aus der Bürgerschaft, sondern seine Verwaltung setzt sich auch brüsk über städtebauliche Ziele und Pläne der bezirklichen Akteure hinweg. Planungen von Bezirken für eine behutsame, ökologisch nachhaltige Stadtentwicklung werden gestoppt, weil sie Wohnungsbauvorhaben von landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften in ihrer Dimension begrenzen wollen.
So jüngst geschehen in Lichtenberg (B-Plan Ilse-Kiez) und in Pankow (B-Plan Schlossparkviertel).
Was die Bürgerinnen und Bürger und viele Kommunalpolitiker besonders empört, ist die Tatsache, dass die Senatsverwaltung die Ergebnisse jahrelanger demokratischer Meinungsbildungsprozesse ignoriert und im
Namen vermeintlich „gesamtstädtischer Interessen“ zunichtemachen will.
Für Senator Geisel und seinen Staatssekretär Gaebler haben sich alle anderen öffentlichen Belange der maximalen Anzahl von Neubauwohnungen unterzuordnen. Sie sprechen dabei von einem „Zielkonflikt“. Jedoch ist die einfache Steigerung der Anzahl der Neubauwohnungen isoliert betrachtet kein vernünftiges stadtpolitisches Ziel. Das
„Weiterbauen“ vorhandener städtischer Wohnquartiere muss das qualitative Ziel verfolgen, die gute und gesunde Wohnqualität klimaresilient fortzuentwickeln. Das gilt ebenso für die geplanten neuen Wohnquartiere. Dazu ist eine integrierte Stadtplanung und eine Wohnungsbaupolitik geboten, die Quantität und Qualität nicht als „Zielkonflikt“ behandelt und dabei eben nicht den erdachten „Zielzahlen“ den absoluten Vorrang einräumt. In ihrem Kampf für die Maximierung der Bebauungsdichte zu Lasten des Stadtgrüns bedient sich die Senatsverwaltung willkürlich der Instrumente des Baurechts.

Im Ilse-Kiez hatte es wegen der schon vor Jahren festgestellten drastischen Unterversorgung mit öffentlichem Grün und fehlender Ausgleichsflächen jahrelang Proteste gegen ein umfassendes Nachverdichtungsvorhaben der HOWOGE gegeben. In einem langen Verständigungsprozess hat der Bezirk gemeinsam mit den Bürgern eine Lösung gefunden: Es sollte ein Bebauungsplan (B-Plan) aufgestellt werden, der die Schaffung neuer Wohnungen in gewissem Umfang zulassen, zugleich aber die bedrohten Grünflächen sichern sollte. In ihrem Einspruch beanstandet die Senats-verwaltung, dass das B-PlanVerfahren angeblich unzulässigerweise auf der Basis des § 13a Baugesetzbuch (BauGB) durchgeführt worden sei. Der § 13a BauGB soll die Planung von Vorhaben der „Innenentwicklung“ erleichtern und
beschleunigen.

„Innenentwicklung“ sei dabei stets durch ein Mehr an Bebauung durch Umnutzung oder Verdichtung geprägt, meint die Senatsverwaltung. Der vom Bezirk Lichtenberg betriebene B-Plan Ilse-Kiez sähe zwar auch zusätzliche Wohnbebauung (ca. 60 bis 70 Wohnungen) vor, aber weniger als möglich wäre und nach den Vorstellungen der Senatsverwaltung realisiert werden sollte (ca. 200). Der B-Plan habe den Erhalt von Grünflächen zum Ziel, die die HOWOGE bebauen wolle. Das sei also keine „Innenentwicklung“, und deshalb könne das B-Planverfahren nicht vereinfacht (ohne Umweltprüfung) und nicht beschleunigt (unter verkürzter Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung) erfolgen. Das absurde Ergebnis: Für einen B-Plan, der die Neubebauung begrenzt und dringend benötigte Grünflächen, Bäume und Spielplätze im Inneren der Wohnanlage schützt, soll eine Umweltprüfung erforderlich sein. Während die HOWOGE für eine Bebauung der Grünflächen nach § 34 BauGB eine Genehmigung ohne Umweltprüfung erhalten kann.

Inzwischen hat die Howoge einen Bauantrag gestellt. Die hier von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Grund für den Stopp des B-Planverfahrens vorgebrachte Auslegung des §13a BauGB, ist so weder durch die Gesetzeskommentare noch durch Rechtsprechung gedeckt. Es gibt keine zwingenden Rechtsgründe für diese Intervention der Senatsverwaltung. Sie realisiert eine Politik, die Erfolg engsichtig an der Anzahl der neuen Wohnungen bemisst und dabei nicht nur städtebauliche und Wohnqualitäten außer Acht lässt, sondern auch die Bedarfe der Bürger vor Ort stur ignoriert. Auch im Fall des seit vier Jahren heftig umstrittenen Bauvorhabens der Gesobau AG in den grünen Innenhöfen der Wohnanlage Kavalier-/Ossietzkystraße in Pankow hat nun die Senatsverwaltung mit einem baurechtlichen Winkelzug eingegriffen, um den Bebauungsplan des Bezirks Pankow, der ebenfalls den Schutz der Grünflächen und eine moderate Bebauung zum Ziel hat, zu verhindern. Sie will jetzt, wie Senator Geisel öffentlich verkündete, das seit langem geplante und äußerst fragwürdige Bauvorhaben unter Ausschaltung des Bezirks selbst genehmigen. Das Sonderbaurecht des § 246 Abs. 14 BauGB, der zeitlich befristet die Schaffung von Unterkünften für Geflüchtete erleichtert, soll es richten. Dazu werden die seit Jahren geplanten Wohnhäuser kurzerhand zu Flüchtlingsunterkünften umetikettiert. Auf diesem Weg versucht die Senatsverwaltung den langjährigen demokratischen Diskussionsprozess in der Pankower Bürgerschaft und den bezirklichen Selbstverwaltungsgremien über das unverträgliche Bauvorhaben auszuhebeln. Dieses Vorgehen ist rechtsmissbräuchlich, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Sonderbaurechts nicht erfüllt sind. Denn für die Wahl ausgerechnet dieses Standortes in der Gesamtgemeinde Berlin bestehen weder zeitlich noch räumlich zwingende Erfordernisse.

Es handelt sich um einen Willkürakt, bei dem das Sonderbaurecht für die Durchsetzung anderer Ziele missbraucht werden soll. Es ist richtig und unterstützenswert, wenn durch eine behutsame und ökologisch verträgliche Nachverdichtung neu geschaffene Wohnungen auch Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Krisenländern zur Verfügung gestellt werden. Die Notlage der ukrainischen Flüchtlinge zur Rechtfertigung eines rücksichtslosen Vorgehens zu instrumentalisieren, wie das Senator Geisel nun tut, ist in jeder Hinsicht inakzeptabel.

Der Beitrag aus dem Ilse-Kiez Flyer 02_2023
http://ilse-kiez.de/wp-content/uploads/2023/04/20230210_Flyer_entwurf_BI-neu-1.pdf

Die Bauanträge der HOWOGE Teil 2

Auf dem Parkplatz vor der Schule am öffentlichen Spielplatz ist eines der zwei Gebäude zur Randbebauung geplant und so genehmigt.

Stellen Sie sich bitte hier auf dem hinteren Parplatz ein Gebäude ca. 28 m Länge und ca. 20 m Höhe vor.
Hier ein erster bekannt gewordener Entwurf!

6 Etagen
Höhe ca. 20 m
Breite ca. 28 m
zwei Wohntürme die in der Mitte mit Laubengängen verbunden sind – Zugang zu den Wohnungen
unterkellert ca. 3 m
untere Etage Kinder-Tagespflege

§ 34 BauGB

§ 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wennes sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und dieErschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden

Weitere Informationen zum genehmigten Bauantrag Ilsestraße 18 dann im Teil 3 – das Wohngebäude an der Marksburgstraße.

Fragen bitte als Kommentar hinterlassen.